Rechtmachen und der Preis des Erfolgs
Heute hat ein Mann seinen Prozess über das Rechtmachen und seine Tücken verschriftlich.
Beruflich war Peter erfolgreich. Er hat eine tolle Frau, tolle Kinder, tolles Haus, alles prima. Gefühlt ist es ihm seine Karriere leicht gefallen. Ja es brauchte Disziplin und Konstanz, aber all das fiel ihm nicht schwer. Es waren die Familienwerte Verantwortung zu übernehmen, zu funktionieren und sicher auch der Wunsch der Oma: „Bua versprich mir, dass was rechts wirsch.“
Er hatte klare Werte, denen er treu blieb, war ehrlich, verlässlich, entscheidungsfreudig und stand zu seinem Wort. Er war verlässlich bei der Arbeit und für die Familie, war ein guter Versorger. Er hatte ein Ziel: Er träumte von finanzieller Unabhängigkeit weit vor dem Rentenalter, die er mit Freiheit gleichsetzte. Er dachte, dann ist alles gut, dann habe ich es geschafft.
Und tatsächlich: Peter war das Glück hold. Trotz großzügiger Lebensweise, verdiente er immer viel mehr als die Familie ausgab. Er hatte ein gutes Händchen für Finanzen und mit 50 Jahren hatte er seinen Traum erreicht: Er konnte aufhören zu arbeiten.
JUHU!?
Und jetzt? Wofür war er jetzt da? Die ersehnte Freiheit machte Peter mit der ihr innewohnenden Leere erst mal Angst. Jetzt hatte er Zeit. Die erste Erkenntnis trudelte ein:
Sein Job war ganz klar nicht seine Berufung, so wie er gedacht hatte. Es war mehr ein Status, ein Füllen der familiären Erwartungen. Das war ein bitterer, schmerzhafter Moment für ihn. Er musste sich eingestehen, dass er eher funktioniert hatte. Er hatte in einer Blase gelebt ohne es zu merken. Was wollte er eigentlich wirklich? Wer war er wirklich? Er hatte keine Ahnung und auch das machte ihm Angst.
Anmerkung von Odette: Ich bin beeindruckt auf welchen Weg sich Peter gemacht hat trotz seiner Angst, Leere und Gefühle von Taubheit.
Peter und ich forschten weiter: was war eigentlich der Preis für sein Erfolgreich-Sein? Was hatte er aufgegeben oder gar geopfert für seine finanzielle Freiheit?
Peter war all die Jahre nicht richtig da gewesen – also im Kontakt mit sich oder mit seiner Familie. Er hatte sich verbogen ohne es zu merken. Er wollte einfach, dass es allen gut ging. „Warum eigentlich?“, fragte ich ihn, aber diese Frage konnte er mir damals nicht beantworten.
Er hat viel geleistet. Dabei hat Peter die Verbindung zu sich selbst verloren. Er hat verlernt, was er braucht, was seine Bedürfnisse sind. Brauchen oder sich anlehnen, Hilfe holen, waren für ihn beschämend und befremdlich.
Manche sagen, er hätte dabei das Leuchten in seinen Augen eingebüßt. Vielleicht ist es das Leuchten des kleinen Jungen, der sich aus tiefstem Herzen über etwas freuen kann. Seine Gefühlsamplitude war beschränkt, nach oben wie nach unten.
Die Gegenwart hat er oft verpasst, weil sein System dem Jetzt immer einen Schritt voraus war. Genau das hatte ihn so erfolgreich sein lassen. Das Schutzkonzept ließ ihn für alles gewappnet sein, alles aushalten, alles ertragen, wenig fühlen. Er war der, der alles hinbekam. Für den Preis, dass er von sich selbst eine Haaresbreite entfernt war.
Zu diesem Selbstschutz gehörte auch eine Verpanzerung seines Herzens. Peter stand der Welt skeptisch gegenüber. Im Grunde hielt er die Welt für gefährlich. Mit seinem Schutzpanzer konnte er sich in ihr sicher bewegen. Er hat gar nicht gemerkt, wie anstrengend sein Leben war. Er fühlte auch nicht, wie entfernt er von seiner Familie war, dabei waren sie doch der Grund für all sein Mühen.
Es zeigten sich noch andere Effekte des Pleasens: Differenzen hat er vermieden oder nachgegeben, weil er Angst hatte vor den Konsequenzen. Er wollte lieb sein, denn er hatte Angst, dann nicht mehr der tolle Peter zu sein. Er hatte Angst, dass die anderen, auch seine Familie, sich von ihm abwenden.
Heute fühlt Peter seine tiefe Erschöpfung und Trauer. Ihm wurde bewusst, was er im Leben verpasst hat und lässt seinen Panzer langsam schmelzen. (Was mich Odette, zutiefst berührt).
Peter ist bewusst geworden, dass er nie um finanzielle Freiheit ging, sondern die Freiheit von Verantwortung, die er meinte all die Jahre tragen zu müssen und so schwer auf ihm lastete. Eine Last, die seine Familie nie auf ihn legen wollte.
Seine Freiheit beginnt hier und jetzt. Peter orientiert sich beruflich neu. Er sucht etwas was ihm wirklich Freude macht. Seine Familie und er beginnen nun einen neuen Abschnitt in ihrem Leben. Frei von recht machen und wahrer Begegnung.
Peter, Du bist super!!!
Abschließend möchte ich sagen, dass ich viele Männer wie Peter kenne. Nicht jeder war monetär so erfolgreich, aber viele tragen eine geglaubte Last von Verantwortung, Versorgerrolle, die Familie vermeintlich glücklich machen zu müssen und vergessen sich selbst dabei. Dieses Vergessen ist groß, kaum jemand bemerkt es. Es hat große Auswirkungen auf die Lebensqualität.
Liebe Männer, ihr habt so wunderschöne Herzen und eine wunderschöne Kraft. Ich bin von jedem berührt, den ich treffen durfte.
Herzlich
Eure Odette